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23 Cards in this Set

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2.1. Abwertung
Abwertung spielt als Abwehrmechanismus eine herausragende Rolle. Dabei werden Aspekte der Realität als bedeutungslos oder unwert betrachtet um das bestehende Welt- und Selbstbild gegen eine Infragestellung durch die abgewerteten Wirklichkeitsaspekte abzuschirmen. In der Fabel vom Fuchs, der die Trauben, die er nicht erreichen kann, für sauer erklärt, ist der Mechanismus bildhaft dargestellt.
2.2. Affektisolierung
Bei der Affektisolierung wird der emotionale Aspekt eines Ereignisses selektiv ausgeblendet. Somit vermeidet man, sich die emotionale Komponente der eigenen Handlungsmotive einzugestehen. Man erlebt sich als ausführendes Organ einer nüchternen Notwendigkeit.
• Als Petra ihm von ihrer Affäre mit Bernd erzählte, blieb Sven völlig gefasst. Er packte wortlos seine Sachen und ging.
• Richter Besenrein hat nichts gegen den Angeklagten. Das Gesetz muss aber in aller Strenge angewendet werden.
• Als Martha ihre Tochter verdrosch, spürte sie weder Wut, Schuld noch Reue. Eine Tracht Prügel hat Kindern noch nie geschadet.
Von Gefühlen, die man nicht bewusst durchlebt, wird man besessen.
Die Affektisolierung geht oft mit einer Rationalisierung der eigenen Motive einher. Die Affektisolierung führt jedoch nicht zu einer Befreiung des Verhaltens vom störenden Einfluss ungesteuerter Emotionen. Vielmehr wird man erst recht durch den ausgeblendeten Affekt bestimmt. So steckt hinter Svens Schweigen womöglich der Impuls, Petra durch scheinbare Gleichgültigkeit zu treffen und der Richter Besenrein weiß vermutlich nichts von seinem Neid auf jene, die es sich im Gegensatz zu ihm erlauben, Regeln bei Bedarf zu übertreten.
2.3. Altruistische Abtretung
Dem Anderen nützt nicht nur, dass man ihn mit Kuchen füttert. Es nützt ihm auch, dass man eine Schale hat. Einem selbst nützt beides ebenfalls.
Hinter der Abtretung steckt oft die Erwartung besonderer Dankbarkeit.Altruismus und Egoismus bilden dann ein unübersichtliches Gemenge, das eine Beziehung regelrecht vergiften kann.
Aus einem Ich tue das doch gerne für Dich wird ein Ich habe doch soviel für Dich getan.
Bei der altruistischen Abtretung werden eigene Interessen verleugnet. Statt dessen gilt aller Einsatz ähnlichen Interessen anderer Personen, für die sich der Altruist dann um so hemmungsloser einsetzt.
Beispiele
• Das Mitglied des Betriebsrats, das sich für jede Forderung unzufriedener Kollegen der Firma gegenüber in die Nesseln setzt.
• Eltern, die sich, wenn es um ihre Kinder geht, in Raubtiere verwandeln; während sie, was eigene Bedürfnisse betrifft, schüchtern sind.
• Der Sozialberufler, der den Klienten jeden Wunsch erfüllt. Mit vierzig fühlt er sich ausgebrannt.
• Die Nonne, die im Dienst am Guten alles eigene aufgibt. Die altruistische Abtretung bietet psychologische Vorteile.
• Man kann seinen Aggressionen freien Lauf lassen, ohne als Egoist dazustehen. Man beißt ja stets als "Guter".
• Man sammelt Sympathien bei denen, deren Interessen man vertritt.
• Man kann glauben, dass sie der Himmel eines Tages fürstlich belohnt.
Die altruistische Abtretung ist zweifellos ein sozial nützlicher Abwehrmechanismen. Für den, der sich für andere einsetzt, mag es aber sinnvoll sein, die eigenen Interessen besser zu beachten.
2.4. Antizipation
Antizipation, also die planende Vorwegnahme kommender Probleme, ist ein sehr reifer Abwehrmechanismus. Bei der Antizipation werden zukünftige Schwierigkeiten im Voraus bedacht und vorbeugende Maßnahmen ergriffen, um die Gefahr zu entschärfen, die dem Selbstbild durch ein Scheitern an den Problemen droht.
• Anna soll in der Schule ein Referat halten. Da sie befürchtet, durch Lampenfieber unter Druck zu geraten, bereitet sie ihr Referat besonders gut vor. Sie entwirft übersichtliche Schaubilder, an Hand derer sie sich elegant durchs Thema hangeln kann. Sie beschließt, auf langsame Sprechweise zu achten.
2.5. Autoaggression
Aggressive Impulse sind ein Risiko für den Bestand zwischenmenschlicher Beziehungen. Ihr Ausdruck wird oft gefürchtet. Bei der Autoaggression werden solche Impulse vom Gegenüber weg und auf sich selbst gelenkt. So verhindert man, sich unbeliebt zu machen. Gegebenenfalls erntet man sogar Zuwendung und Aufmerksamkeit.
• Katrin war über Claudias Selbstgefälligkeit wütend. Statt ihrer Freundin die Meinung zu sagen, nahm sie eine Scherbe und schnitt sich ins Bein.
• Heiko war empört, dass sich seine Eltern schon wieder einmischten. Mit ein paar Gläsern Schnaps gab er sich die Kante. Als er am nächsten Tag unter Kopfschmerzen litt, brachte ihm seine Mutter Aspirin.
• Zwei Tage nachdem Monika gegangen war, erhängte Paul sich in seinem Elternhaus. Seine Mutter hatte Monika von Anfang an nicht gemocht.
Im autoaggressiven Akt schimmert die Aggression gegen Bezugspersonen oftmals durch. Durch die Folgen der Autoaggression werden sie vereinnahmt, angeklagt oder ins Unglück gestürzt; denn der Schutz einer Beziehung durch Wendung der Aggression gegen sich selbst kann tödlich sein.
2.6. Dramatisierung
Beim Dramatisieren werden Sachverhalte, eigenes Erleben und Empfinden oder die Taten anderer mit übermäßig emotionalem Aufwand dargestellt. Wer dramatisiert, gebraucht Superlative...und wiederholt sie gerne.
• Ich war total geschockt, als sich Manfred im Gasthaus ein Schnitzel bestellte.
• Das Wetter in Horumersiel war eine Katastrophe! Eine absolute Katastrophe!
• Als ich meinen Vortrag beendet hatte, stürmte das Publikum begeistert auf mich zu.
Häufiges Motiv beim Dramatisieren ist die Furcht, nicht beachtet zu werden. Durch lebhaftes Auftragen will man sich die Aufmerksamkeit des Gegenübers sichern. Auf Dauer passiert jedoch das Gegenteil. Je öfter man dramatisiert, desto schneller ziehen die Zuhörer das meiste vom Drama stillschweigend wieder ab; was man als mangelndes Interesse erlebt und womöglich zum Anlass nimmt, noch dicker aufzutragen.
Im extremen Fall richtet der, der sich beim Bemühen um Aufmerksamkeit aufs Dramatisieren verlässt, den Blick so begierig auf den Effekt, dass er das Gefühl für die eigene Integrität verliert. Zuweilen scheint es ihm dann so, als führten seine Impulse, und sogar seine Organe, ein Eigenleben: Ein Arm ist plötzlich "gelähmt", für Stunden war man "blind" und wie sie schwanger werden konnte, ist der Jungfrau unerklärlich. Das nennt man Dissoziation.
2.7. Fixierung
Fixierung nennt man das Stehenbleiben auf einer bestimmten Entwicklungsstufe. Dadurch werden Progressionsängste vermieden, also die Angst, an den Herausforderungen einer heranrückenden Lebensphase zu scheitern.
• Uwe ist längst in dem Alter, in dem er eine Freundin haben könnte. Er wohnt aber noch zu Hause und spielt abends am Computer. Er sieht keinen Grund, eine eigene Wohnung zu beziehen. Uwe hat noch nie ein Hemd gebügelt. Das regelt seine Mutter.
2.8. Idealisierung / Unterwerfung / Identifikation mit dem Aggressor
Wer idealisiert, sieht vom anderen oder einem Sachverhalt nur noch die positive Seite. So ist die Idealisierung ein Teilaspekt der Spaltung. Sie bezweckt, Kritik und Konkurrenzimpulse, die zu einem Konflikt mit dem anderen führen könnten, abzuschwächen.
• Fachlich ist der Chef einsame Spitze.
• Mein Mann ist der beste Mensch auf der Welt.
• Mohammed ist der Prophet Gottes.
• Auf Petri Stuhl sitzt der Heilige Vater.
Der Idealisierung folgt logischerweise die Unterwerfung. Dem Idealen muss man sich kritiklos unterordnen!
Mit der Idealisierung vergesellschaftet ist oft die Identifikation mit dem Aggressor. Sie ist nicht nur ein häufiger Abwehrmechanismus im Kleinen...
• Wenn mein Vater mich schlug, hatte ich wirklich etwas ausgefressen.
...sondern wesentliches Wirkprinzip bei der Ausbreitung feindseliger Ideologien.
• Ester 8,17:
Viele aus den Heidenvölkern bekannten sich zum Judentum, denn die Furcht vor den Juden hatte sie befallen.
Wenn ich mache, was der Meister sagt...
Menschen neigen dazu, anderen besondere Autorität
zuzuordnen. Sobald man glaubt, man habe jemanden gefunden, der zweifelsfrei weiß, was richtig ist, kann man auf das Risiko eigenen Denkens und Entscheidens verzichten. Mit dem glücklichen Gefühl, dass nun alles in Ordnung ist, folgt der Gläubige seinem Meister. Solche Mechanismen sind in Politik und Glaubensdingen weit verbreitet.
Die Feindseligkeit einer Weltanschauung geht mit der Neigung ihrer
Vertreter, sie zu idealisieren, Hand in Hand. Die Aggressionsbereitschaft konfessioneller Kulte entspringt dem Wechselspiel aus Idealisierung und Unterwerfung. Je mehr sich jemand unterwirft, desto mehr Idealisierung braucht er, um seine Unterwerfung zu rechtfertigen. Die Aggression, die seine Unterwerfung erzeugt, verschiebt er oft auf Gruppenfremde.
2.9. Konfluenz
Konfluenz mit dem Umfeld dient der Vermeidung gefürchteter Konflikte. Menschen, die sich übereifrig Normen, Konventionen und Erwartungen des Umfelds anpassen, sichern ihre Zugehörigkeit zum Preis eines abgeschwächten Ausdrucks ihrer tiefer gehenden Individualität.
• Hendrik verstand zwar nicht genau, worum es ging, als aber alle lachten, lachte auch er. Er wollte den Eindruck vermeiden, dass er keine Ahnung hat.
Konfluenzphänomene finden sich....
• In weltanschaulichen Fragen
• Bei der Mode
• Bei der Frage, welche Popgruppe gerade in ist
• Bei der Wahl sozialer Netzwerke
Mystische Identifikation oder Konfluenz
Bei der mystischen Identifikation wird die Verflochtenheit mit dem Kontext (an-)erkannt. Bei der Konfluenz wird ein Verfließen mit dem Umfeld angestrebt. Das Erste dient der Überschreitung des Ego, das Zweite seiner Festigung. Bei der Konfluenz schützt sich das Ego durch die Tarnkappe der Gleichheit. Bei der mystischen Identifikation verzichtet das Selbst auf den Anspruch, als besonderes Ego zu gelten.
Konfluenz gehört zur normalen Dynamik sozialer Gruppen. Sie ist thematisch verwandt mit dem Mechanismus der Identifikation mit dem Aggressor. Das Umfeld wird als potenzieller Aggressor gedeutet, der nur akzeptiert, was ihm gleicht.
Erst wenn der Impuls zur Anpassung an das Umfeld überwertig wird, ist der Mechanismus eindeutig pathologisch. Böse Zungen bezeichnen Menschen mit einer Vorliebe für konfluente Muster als "Normopathen".
2.10. Konversion / Dissoziation
Konversion und Dissoziation sind nicht dasselbe. Oft treten sie aber gemeinsam auf. Bei der Dissoziation werden einzelne Modi der Selbstwahrnehmung aus dem Zusammenhang des Ich-Bewusstseins abgespalten.
Konversion bezeichnet den Ausdruck der abgespaltenen Inhalte durch symbolhafte Fehlfunktionen der motorischen, sensiblen oder sensorischen Systeme. Das Symptom drückt dann jenen Bewusstseinsinhalt aus, den der Patient bewusst nicht als Element seiner selbst akzeptiert. Zur klassischen Symptomatik der Konversionsstörung gehören:
Bewegungsstörungen: Lähmungen oder unwillkürliche Bewegungen der Gliedmaßen, Gangstörungen
• Empfindungsstörungen: Schmerz-oder Berührungsunempfindlichkeit
• Psychogene Anfälle
• Störungen des Sprechens: Dysarthrie, Aphonie
• Psychogene Blindheit
• Psychogene Taubheit
• Störungen des Geschmacks- oder des Geruchssinns
Beispiele:
• Ingo ist am Arbeitsplatz vom Chef gedemütigt worden. Am liebsten würde er alles hinschmeißen. Statt dessen kann er wegen einer Gangstörung am nächsten Tag nicht mehr am Arbeitsplatz erscheinen.
• Die Jungfrau kann sich nicht erklären, wie sie schwanger wurde.
• Beate würde ja gerne mit Hubert schlafen.Wenn er sie anfasst, fühlt sich die Haut aber ganz
taub an.
Von den Konversionsstörungen sind die Somatisierungsstörungen abzugrenzen. Dabei beeinflusst der psychische Inhalt nicht die Funktion der Willkürmotorik, der Sinnesorgane oder der Oberflächensensibilität, sondern die Funktionen des vegetativen Nervensystem und damit die Funktionen innerer Organe. (siehe unten)
2.11. Projektion
Bei der Projektion werden eigene Impulse und Eigenschaften, die man nicht wahrhaben will, anderen zugeschrieben. Projektionen erkennt man an der Pauschalität ihrer Urteile.
Ich wollte nur friedlich mein Bier trinken. Dann hat mich der Typ am Tresen blöd angemacht...
Projektionen setzen Distanz voraus. Am leichtesten projiziert man auf das, was man am wenigsten kennt.
• Der Meier schwarwenzelt um die neue Kollegin herum. So ein geiler Bock!
• Juden sind allesamt habgierig.
• Kadettfahrer sind Angeber.
• Alles Böse liegt bei den anderen.
Durch Projektion vermindert man Konflikte, die man mit sich selber hat. Das Bild von sich selbst bleibt übersichtlich und widerspruchsfrei. Die Wahrnehmung anderer wird jedoch verzerrt. Da man Impulse, die man nicht wahrhaben will, als "schlecht" bezeichnet, führt Projektion regelhaft zur Herabsetzung anderer...und damit zu Feindseligkeit. Milde Formen der Projektion sind weit verbreitet. Die Übergänge zum Verfolgungswahn sind fließend.
Was Projektionen begünstigt:
• Soziale Isolation
• Selbstwertzweifel
• Angst vor Fremdbestimmung
• Orientierung
an kollektiven Ideologien
2.12. Projektive Identifikation
Zum Verständnis der Projektiven Identifikation macht es Sinn, sich die Situation eines Säuglings vor Augen zu halten. Ein Säugling ist allein auf sich gestellt nicht lebensfähig. Seine Existenz setzt die Übernahme wesentlicher Fürsorgefunktionen durch die Mutter voraus. Der Säugling vereinnahmt somit Funktionen, die der Entscheidungshoheit einer anderen Person zugeordnet sind. Man geht davon aus, dass sein Bewusstsein den Hunger und die nährende Brust der Mutter noch nicht zwei unterschiedlichen personalen Einheiten zuordnet. Der Säugling unterscheidet nicht zwischen Ich und Du.
Mit dem Auskeimen des Ich-Bewusstseins in der Frühkindheit beginnt er, diese Unterscheidung mehr und mehr zu treffen. Es ist jedoch keinesfalls die Regel, dass das Bewusstsein des Erwachsenen die Unterscheidung zwischen sich selbst und dem Anderen auf allen Ebenen vollständig vollzogen hat. Ohne sich dessen bewusst zu sein, neigt auch der normale Erwachsene dazu, die Erfüllung eigener psychischer Belange von anderen zu erwarten.
Die Aufgabe zur Erfüllung des Belangs wird auf den Anderen projeziert und gleichzeitig wird die ausgelagerte Funktion der eigenen Identität zugeordnet. Das Ich identifiziert sich mit einer bestimmten Funktion des Du.
2.12.1. Projektive Des-Identifikation
Projektive Des-Identifikation ist ein Abwehrmechanismus, der meist nicht als solcher erkannt wird. Er gehört zur normalen Psychodynamik und wird von den meisten Menschen als inhaltlich stimmige Deutung interaktiver Prozesse hingenommen.
Projektive Des-Identifikation und Projektive Identifikation gehen fließend ineinander über. Trotzdem sind es zwei psychische Manöver, die sich voneinander unterscheiden. Die Unterscheidung verbessert das Verständnis dessen, was bei vielen Konflikten vor sich geht.
Während bei der Projektiven Identifikation eine Ich-
Funktion des Anderen für eigene psychische Belange
vereinnahmt wird, kommt es bei der Des-Identifikation zu
einem gegenläufigen Vorgang: Die Urheberschaft eines eigenen innerseelischen Vorgangs wird dem Anderen zugeordnet.
2.13. Rationalisierung
Bei der Rationalisierung wird der theoretische (griech.: theoros = Betrachter) Aspekt eines Sachverhaltes stärker beachtet als der emotionale (lat.: emovere = herausbewegen).
Beipiele:
• Er lässt überall seine Socken liegen.
Sie denkt: So sind die Männer eben.
• Sie nörgelt, dass er seine Socken liegen lässt.
Er denkt: Frauen sind nie zufrieden.
• Er ärgert sich über die schlechte Laune des Chefs...
...und denkt: wahrscheinlich hat er Streit mit seiner Frau.
Wie alle Abwehrmechanismen dient auch die Rationalisierung der Vermeidung von Konflikten und der Sicherung der Autonomie. Im Grundsatz ist es nützlich, Ereignisse zunächst zu betrachten und dann erst zu reagieren.
Betrachtung schafft jedoch Distanz. Wer sich herausbewegt, bewegt sich auf den anderen zu. Übertreibt man es daher, begnügt man sich damit, sich bloß alles zu erklären, wird der Kontakt zum Anderen unlebendig.
Das führt genau zum Gegenteil: Konfliktspannung wird aufgestaut. Die vermeintliche Autonomie wird theoretisch. In seinem privaten Weltbild hat der Rationalisierer alles im Griff. Tatsächlich wird er ständig von verleugneten Emotionen und einer entfremdeten Umwelt bedroht.
2.13.1. Pathologisierung
Eine Spielart der Rationalisierung ist das Pathologisieren. Es ist in der Psychiatrie weit verbreitet. Beim Pathologisieren werden unangenehme Stimmungen und Gefühle als Krankheitsymptome interpretiert.
Beispiele:
• Er ist traurig.
Der Arzt sagt: Sie haben eine Transmitterstörung.
• Sie fürchtet sich, frei zu reden...
...und denkt: Das kommt von der sozialen Phobie.
• Aus Angst, bestohlen zu werden, kontrolliert sie drei Mal, ob die Tür zu ist.
Der Therapeut stellt eine Zwangserkrankung fest.
Wie bei allen Abwehrmechanismen hängt Nutzen und Schaden des Pathologisierens von der jeweiligen Situation ab. Bei schwerkranken Menschen ist es oft das Beste, zur übermächtigen Symtomatik Abstand zu schaffen, indem man sie als Krankheit auffasst und damit als behandelbares Objekt. Zur vollständigen Heilung von Ängsten, Depressionen und Zwangserscheinungen ist es in einem zweiten Schritt aber ebenso oft nötig, das Symptom wieder als unmittelbaren Ausdruck der eigenen Person zu betrachten.
2.14. Reaktionsbildung
Bei der Reaktionsbildung wird ein Impuls, den man fürchtet, durch gegenläufiges Verhalten überdeckt.
Beispiele:
• Am liebsten würde man dem Chef eine knallen. Statt dessen ist man freundlich.
• Am liebsten würde man die Kollegin vernaschen. Statt dessen tut man reserviert.
• Am liebsten würde man alles kurz und klein schlagen. Statt dessen hält man Ordnung.
• Am liebsten würde man dem Teufel dienen. Statt dessen betet man zum Himmel.
Wie bei anderen Abwehrmechanismen gibt es auch hier fließende Übergänge zwischen bewusster Absicht und automatisierter Gewohnheit. Wenn man Impulse beharrlich durch ihr Gegenteil überdeckt, verdrängt man sie ins Unbewusste. Der "Freundliche" weiß nichts mehr von seiner Wut, der "Kühle" nichts mehr von seiner Lust und der "Fromme" nichts mehr von seinem Hang zur Bosheit.
2.15. Regression
Unter Regression versteht man den Rückgriff auf kindliche Verhaltensmuster. Dazu gehören grundsätzlich alle Verhaltensweisen, die es erlauben, von der Frontlinie des zweckgerichteten Handelns zurückzutreten und sich zweckfreien Daseinsformen hinzugeben.
Zum gesunden Leben gehört ein Wechselspiel zwischen lösungsorientierter Progression und zweckfreier Regression. Erst wenn man ausschließlich regressive Muster nutzt und der Frontlinie damit zum eigenen Schaden beharrlich ausweicht, wird Regression problematisch.
Problematisch ist aber auch, wenn man nicht genügend regredieren kann; zum Beispiel aus mangelndem Grundvertrauen heraus. Das kann zu schädlicher Überaktivierung des Organismus und psychosomatischen Erkrankungen führen.
Regressive Muster
• Schlafen
• Spielen
• Genießen
• Albern sein
• Andere bestimmen
lassen
• Sich versorgen
lassen
• Schmollen
• Träumen
• Nichts tun
2.16. Somatisierung
Zwischen Somatisierung und Konversion gibt es Parallelen. Bei beiden Mustern werden psychische Inhalte nicht bewusst wahrgenommen. Stattdessen wirken sie sich auf körperlicher Ebene (griech.: soma = Körper) aus.Während man den Ausdruck seelischer Konflikte über das motorische, sensible und sensorische Nervensystem als Konversion bezeichnet, wird der entsprechende Ausdruck über das vegetative Nervensystem Somatisierung genannt.
Resultat solcher Somatisierungen sind funktionelle Symptomkomplexe, die sich um einzelne Organsysteme gruppieren. Zu den klassischen Symptomkomplexen, als deren Ursache man Somatisierungen vermutet, gehören:
• Essentielle Hypertonie
• Funktionelles Oberbauchsyndrom / Reizmagen
• Colon irritabile
• Reizblase
• Psychogener Durchfall
• Neurozirkulatorische Asthenie
2.17. Spaltung
Spaltung ist ein früher Mechanismus des Bewusstseins im Umgang mit der Realität. Der Säugling unterteilt die Wirklichkeit in ein grobes Raster: "gut" oder "schlecht". "Gut" ist alles, was er ohne weiteres annehmen kann. "Schlecht" ist, was weh tut oder Mühe macht. Das Raster passt in ein liebevolles Elternhaus. Milch und Liebe nimmt das Kind, gegen Hunger und Desinteresse protestiert es.
Im Laufe der Entwicklung erkennt das Kind, dass vieles nicht entweder-oder ist, sondern sowohl- als-auch; je nach Perspektive, aus der man es betrachtet. Es erkennt, dass manches gut sein kann, obwohl es zunächst weh tut oder Mühe macht: zum Beispiel laufen lernen. Das gilt erst recht für komplexe Aspekte der Realität, wie das eigene Ich und andere Personen.
Bekommt das Kind anfangs genügend Aufmerksamkeit, entwickelt es den Mut, Hindernisse anzugehen und Zwiespältiges erfolgreich zu integrieren. Bekommt es zu wenig, wartet es ängstlich ab: ob die Bestärkung von außen, die es passiv annehmen kann, nicht doch noch kommt. So wird der Reifungsschritt weg von passiver Erwartung und polarisierender Spaltung hin zu Tatkraft und differenzierter Wahrnehmung behindert.
Der Lebensweg des Individuums wird durch die Beibehaltung von Spaltungen als Organisationsprinzip des Weltbilds erheblich erschwert. Es kommt zur Störung der Kompromissfähigkeit bei sozialen Konflikten, zur Störung der Beziehungsfähigkeit, zu Selbstwertproblemen, entwertendem Verhalten gegenüber anderen und zur Anfälligkeit für polarisierende Ideologien.
2.18. Sublimation
Sublimation (lat: sublimare = in die Höhe heben, veredeln) gilt als der reifste Abwehrmechanismus. Ihm ist laut Freud die Kultur zu verdanken. Impulse, die an Hindernissen scheitern, werden nicht bloß verdrängt, sondern zur Erlangung von Höherwertigem genutzt.
• Eigentlich wollte Rüdiger von Rauenstein Adelheid aus dem Schloss ihres Vaters verschleppen. Als er aber die Wachen vor der Zugbrücke sah, dichtete er statt dessen ein Liebeslied.
• Eigentlich wollte Hans Berserker Rüdiger aus Burg Rauenstein vertreiben und die Knechtschaft somit brechen. Als das nicht ging, erfand er den Presslufthammer.
Sublimiert werden meist sexuelle oder aggressive Impulse, deren direkte Umsetzung das Individuum gefährden könnten. Obwohl Sublimation ein kreativer Weg im Umgang mit frustrierten Bedürfnissen ist, kann auch sie krank machen...
• ...wenn es nämlich gar nicht die Wachen sind, die den Raub Adelheids verhindern, sondern Rüdigers Versagensangst.
• ...wenn nicht die Mauern von Rauenstein Hans in Knechtschaft halten, sondern seine Furcht tatsächlich frei zu sein.
So stimmt es zwar, dass Kulturschaffende oft unglücklich sind, Freud war jedoch zu pessimistisch. Wenn Rüdiger den Mut hat, Adelheid zu rauben, kann er trotzdem ein zärtlicher Liebhaber sein, der Adelheid nicht nur durch Tatkraft beglückt, sondern das Glück auch noch besingt.
2.19. Ungeschehenmachen
Das Ungeschehenmachen kommt gehäuft bei Zwangsstörungen vor. Es ist aber auch im Rahmen der Normalpsychologie verbreitet. Grundmotiv des Ungeschehenmachens sind moralische Bedenken und die Furcht, durch ein bestimmtes Handeln, Denken oder Fühlen das eigene oder das Wohl anderer gefährdet zu haben. Um die Gefahr zu bannen, wird ihr durch ein Sühne-, Vermeidungs- oder Reinigungsverhalten begegnet. Dabei handelt es sich entweder um beliebige Rituale oder um ein Verhalten, das Schuld tatsächlich ausgleicht.
• Erst scherzte der Pastor mit Helene, dann betete er fünf Rosenkränze.
• Erst klaute Susi im Kaufhaus, dann gab sie dem Bettler zehn Euro.
Eng verwandt mit dem Ungeschehenmachen sind Zwangshandlungen sowie Vermeidungs- oder Reinigungsrituale, deren Ziel es nicht ist, bereits entstandene Schuld wieder gut zu machen, sondern künftigen Schaden zu verhindern. Der befürchtete Schaden kann dabei sowohl von eigener Schuld als auch von äußeren Gefahren ausgehen.
• Wenn ich nicht jeden siebten Pflasterstein beim Gehen treffe, droht Unheil.
• Besser man wäscht sich zehn Mal die Hände, als eine Infektion zu riskieren.
• Ich gehe noch Mal zurück und überprüfe die Fenster.
• Ich binde den Putzmittelschrank vor dem Kochen zu, um sicher zu sein, dass ich nicht aus
Versehen Spüli ins Essen schütte.
• Ich muss regelmäßig Gegenstände berühren, damit die negativen Energien von dort
abfließen.
Erfolgt das Ungeschehenmachen durch bloße Rituale, sind oft magische Vorstellungen damit verbunden. Zur Tragik vieler Menschen mit einer Zwangssymptomatik gehört jedoch, dass der Glaube an die magische Macht des Rituale oft nur kurz anhält. Dann kommt die Schuldangst wieder hoch und das Ritual muss immer wieder ausgeführt werden.
2.20. Verdrängung / Verleugnung
Bei der Verdrängung verleugnen wir so gründlich, dass wir das Verleugnete kaum noch bewusst wahrnehmen. Bei der Verleugnung wird alles, was nicht ins Weltbild passt, kurzerhand ignoriert.
Verdrängung kommt zum Beispiel bei Depressionen vor. So neigt ein Depressiver dazu, Impulse autonomer Selbstbehauptung zu verleugnen, sobald sie seinen altruistischen Dienst an den Bedürfnissen anderer gefährden. Genauso verleugnet der Depressive, dass seine Dienstbereitschaft auch egoistischen (also "bösen") Zielen dienen könnte: sich nämlich beliebt zu machen und daraus Vorteile zu ziehen.
Der Verleugnung zum Opfer fallen aber nicht nur Impulse autonomer Selbstbehauptung, sondern auch Bedürfnisse nach Zugehörigkeit; zum Beispiel in der Manie und bei narzisstischen oder paranoiden Persönlichkeitsstörungen.
2.21. Verschiebung
Verschiebung ist wie Spaltung ein Werkzeug des Bewusstseins. Meist dient sie dazu, zwiespältig erlebte Beziehungen zu sichern. Gefühle, Impulse und Phantasien, die die Beziehung gefährden könnten, werden nicht mehr der Beziehung zugeordnet, sondern auf ungefährliche Bereiche verschoben.Verschiebung führt häufig zur Entstehung von Phobien.
• Eine Spinnenphobie verschlüsselt oft Ängste und Aggressionen, die sich auf Bezugspersonen beziehen, von denen man sich vereinnahmt und gefesselt fühlt.
• Bei der Höhenangst kann man fragen, ob jemand sich fürchtet, mit einer Bezugsperson um Rang und Position zu konkurrieren.
• Der Klaustrophobe fühlt sich womöglich von Personen beengt, auf deren Schutz er nicht verzichten will.
Um den Zusammenhalt zu festigen, werden Aggressionen zwischen Mitgliedern einer Interessengruppe oft auf äußere Feinde verschoben. Der Gruppenfremde wird quasi zum phobischen Objekt, gegen den sich aller Widerwille richtet. Dieser Mechanismus wirkt vor allem bei ideologischen Gruppierungen. Je eindeutiger eine Gruppierung ihre Mitglieder auf eine Sichtweise verpflichtet, desto feindseliger wird sie sich nach außen verhalten.